Eine Besonderheit alter Sorten ist, dass die Pflanzen samenfestes Saatgut produzieren. Das bedeutet, dass deren Samen für den Nachbau geeignet sind. Das Saatgut kannst du selbst gewinnen und im nächsten Jahr wieder aussäen. Zudem kannst du die Samen auf einer Saatgut-Tauschbörse oder in deiner Nachbarschaft verschenken. In diesem Artikel bekommst du einen Überblick über die Samengewinnung alter Gemüsesorten. Die Vermehrung ist nicht ganz einfach und es gibt einige Dinge zu beachten.
Wenn du eine Sorte gefunden hast, die dir besonders gut gefällt, kannst du dein eigenes Saatgut für den Nachbau oder zum Tauschen produzieren. Hierbei solltest du zunächst einmal wissen, dass die Vermehrung von Sorten nicht gleichbedeutend mit der Erhaltung ist. Um eine Sorte mit ihrem einzigartigen Sortenbild zu erhalten, braucht es eine Erhaltungszüchtung. Ziel der Erhaltungszüchtung ist das Bewahren sortenspezifischer Merkmale wie Form, Farbe, Wuchs und Geschmack. Dabei darf sich kein sortenfremdes genetischen Material einkreuzen. Eine solche Erhaltungszüchtung ist oft in einem Kleingarten nicht realisierbar, denn es braucht große Bestände (500 bis 1000 Pflanzen) und einiges an Fachwissen. Ansonsten kann es zu genetischer Erosion oder Inzucht kommen.
Trotzdem kannst du dich probieren und eigenes Saatgut deiner Lieblingspflanzen gewinnen. Das kannst du auch problemlos ein paarmal machen. Nach ein paar Jahren solltest du jedoch neues Saatgut aus einer Erhaltungsinitiative beziehen, um wieder sortenechte Samen zu erhalten. Was für Erhaltungsinitiativen es für alte Sorten gibt und mehr rund ums Thema alte Sorten, kannst du hier nachlesen.
Insgesamt ist es wahnsinnig wichtig, dass du dich gut im Vorfeld informierst, mit welcher Pflanze du es zu tun hast und was es kulturspezifisch zu beachten gibt! Eigentlich hat jede Kultur ihre Besonderheiten bei der Kulturführung und der Ernte. Damit alles glatt läuft, lohnt es sich die Zeit im Vorhinein zu investieren. Zuerst einmal ist es wichtig, dass du dir im klaren darüber bist, auf welche Art deine Pflanze bestäubt wird. Ist sie ein Frembestäuber oder ein Selbstbestäuber? Falls sie ein Fremdbestäuber ist, wird sie durch den Wind oder durch Insekten bestäubt?
Selbstbefruchtende Pflanzen wie z.B. Tomaten, Bohnen, Erbsen oder Salat brauchen zwar keinen fremden Pollen, jedoch ist eine Befruchtung von anderen Pflanzen der gleichen Art möglich. Durch räumliche Isolation der Pflanzen gleicher Arten kann eine Einkreuzung von sortenfremdem Genmaterial verhindert werden. Eine Vermehrung von Selbstbefruchtern im Privatgarten ist relativ einfach.
Hier ist die Pflanze für die Befruchtung auf den Pollen einer anderen Pflanze angewiesen. Der Pollen kommt entweder mit dem Wind oder mit bestäubenden Insekten zur Blüte, wodurch eine Einkreuzung deutlich wahrscheinlicher ist. Wenn du mehrere Pflanzen der gleichen Art in deinem Garten hast, sollten die einzelnen Sorten mit einem Kulturschutznetz isoliert werden. Hierbei ist allerdings das Problem, dass Insekten zum Bestäuben ebenfalls ferngehalten werden. Um die Bestäubung sicherzustellen, solltest du also bestäubende Insekten unter das Netz setzen. Außerdem sind Fremdbestäuber anfälliger für Inzuchteffekte. Deswegen ist hier ein etwas größerer Bestand von mindestens 50 Pflanzen notwendig, um diesen zu vermeiden. Aus diesen Gründen ist die Vermehrung von Fremdbestäubern etwas schwieriger und damit weniger geeignet zur Erhaltung im Hobbygarten.
Um bei Fremdbefruchtern eine Einkreuzung von anderen Sorten der gleichen Art zu verhindern, gibt es einige Maßnahmen, die dir dabei helfen:
Wähle einen ausreichend großen Pflanzabstand, sodass es zu keinem Pollenaustausch kommen kann. Dabei musst du zu allen Sorten der gleichen Art genügend Abstand wählen. Mangold kann beispielsweise auch von Roter Bete befruchtet werden, da beide der Art Beta vulgaris angehören. Informiere dich im Vorfeld, welche Pflanzen zu der gleichen Art gehören, um Einkreuzungen zu verhindern. Bei der Wahl der Pflanzabstände spielt die Art der Bestäubung eine wichtige Rolle. Windbestäubende Arten (mindestens 300 m) brauchen den größten Pflanzabstand, danach folgen insektenbestäubende Arten (100 bis 150 m) und zum Schluss die Selbstbefruchter (kulturspezifischer Reihenabstand).
Falls du nicht genug Platz haben solltest, um die Pflanzabstände zu realisieren, gibt es noch die Möglichkeit der mechanischen Isolation einer Kultur mit Isoliertunneln. Hierbei musst du bei Fremdbestäubern, wie bereits erwähnt, bestäubende Insekten unter das Kulturnetz setzen. Dafür eignen sich Schmeißfliegen (Calliphora ssp. für Möhren, Kohl und Zwiebeln), Solitärbienen (Osmia rufa für Korbblütler und Kohl) oder Hummeln (Bombus terrestris für Gurken, Kohl und Möhren). Bei wenigen Exemplaren kannst du die Pflanzen natürlich auch per Hand mit einem kleinen Pinsel bestäuben.
Hier findest du noch allgemeine Tipps, um erfolgreich eigenes Saatgut zu gewinnen:
Bei der Samenernte ist der richtige Zeitpunkt das A und O. Erntest du zu früh, sind die Samen noch nicht voll ausgereift und unter Umständen noch nicht keimfähig. Kommst du dagegen zu spät, kann es sein, dass die Pflanze ihre Samen schon ausgesamt hat und du mit leeren Händen nach Hause gehst. Dabei brauchst du ein wenig Feingefühl, um den richtigen Moment abzupassen. Die Samenstände reifen bis nach der Blüte an der Pflanze heran. Hierbei musst du wissen, ob deine auserwählte Pflanze einjährig oder zweijährig ist. Je nachdem blüht sie im ersten oder erst im zweiten Jahr. Dementsprechend findet auch die Saatguternte statt.
Du willst noch mehr zu alten Gemüsesorten wissen? Hier erfährst du die Geschichte alter Sorten und was du tun kannst, um sie zu bewahren. Außerdem gibt's dazu auch einen Podcast, der sich rund ums Thema ,,alte Sorten" dreht.
Wir wünschen dir viel Spaß und Erfolg bei der Saatgutgewinnung. Teile gerne deine Erfahrungen zur Vermehrung alter Sorten mit uns und der Alphabeet-Community! Bei Fragen und Anmerkungen zu diesem Thema schreibe uns gerne an [email protected].
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Marie ist Agrarwissenschaftlerin. Sie interessiert sich besonders für den nachhaltigen und ökologischen Anbau von Gemüse und anderen Pflanzen. Im eigenen Garten sammelte sie dabei Erfahrungen und probiert sich gerne aus, um von der Natur zu lernen. Dabei liegen ihr Werte und Prinzipien der Permakultur besonders am Herzen, um neben dem Wohl für die Natur, auch für das Wohlergehen der Menschen und zukünftiger Generationen beizutragen.
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Was bedeutet samenfestes Saatgut?
Samenfestes Saatgut stammt von Pflanzen, deren Samen nachgezogen werden können. Bei diesen Pflanzen kannst du selbst Saatgut gewinnen und im folgenden Jahr erneut anbauen.
Kann ich Saatgut von allen Pflanzen gewinnen?
Von alten und samenfesten Sorten kannst du eigenes Saatgut gewinnen. Bei F1-Hybriden lohnt es sich nicht, da das Saatgut oft keine Früchte mehr bringt. Achte auf sortenspezifische Merkmale und vermeide eine Kreuzbestäubung.
Wie vermeide ich die Kreuzbestäubung bei der Saatgutgewinnung?
Durch räumliche oder mechanische Isolation, wie z.B. die Verwendung von Kulturschutznetzen, um sortenfremdes Genmaterial fernzuhalten.
Kann ich das gewonnene Saatgut tauschen?
Ja, gewonnenes Saatgut kann auf Saatgut-Tauschbörsen oder lokal in der Nachbarschaft getauscht oder verschenkt werden.
Was muss ich bei der Samenernte beachten?
Der Zeitpunkt ist entscheidend: Zu früh geerntete Samen sind eventuell nicht keimfähig, zu spät geerntete könnten bereits verloren sein. Die Reife der Samen variiert je nach Pflanzenart und -sorte.