Wir haben uns mit dem Wintergemüse Experten Wolfgang Palme über den Gemüseanbau im Winter unterhalten. Seit über zehn Jahren erforscht er den Gemüseanbau im Winter und weiß, wie es funktioniert. Sein umfassendes Know-how gibt er an Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau Schönbrunn weiter und teilt als Vortragender seine Begeisterung mit allen, die sich das ganze Jahr mit frischem Gemüse versorgen wollen. Mitten in Wien betreut Wolfgang Palmer die City Farm im Augarten und steckt dort große und kleine Gärtner:innen mit dem Wintergarten Fieber an. Wir können von Wolfgang heute mehr darüber erfahren und lernen, wie wir auch im Winter frisches Gemüse anbauen können.
Wolfgang Palme: Da unterscheiden wir die ganze Gruppe der Wintergemüse in zwei Teile. Das eine sind die winterlichen Feingemüse, dazu gehören Kräuter, Salate, Radieschen, zarte bunte Karotten. Die sind besonders empfindlich gegenüber zu viel Feuchtigkeit von oben, also auf Niederschlag im Winter, auf Schnee, auf Regen. Und dann gibt es eine zweite große Gruppe und das sind die Freilandgemüse. Die stehen draußen bei Wintersturm und Frost und und bei Schnee. Die halten selbst das aus und das sind die echten Winterhelden, weil die da einiges ertragen, während dieser ungemütlichen Wochen und Monate und stehen uns trotzdem mit ihren frischen Ernte Produkten zur Verfügung.
Generell kann man sagen, dass alles, was einen Kopf schließt, weniger flexibel ist, was den Austausch von Feuchtigkeit und Temperatur betrifft. Das heißt, besser geeignet sind Salate und Blattkohle, die eine offene Rosette bilden. Blattkohle, Blattchinakohl, Lollo- und Bataviasalate, Pflücksalate, aber auch die Romana und Asia-Salate.
Wolfang Palme: Ich habe mich mit Literatur zum Thema Pflanzenphysiologie beschäftigt und interessanterweise stammte Vieles aus den 50er Jahren, als man damals erforscht hat, wie die Pflanze mit Stressfaktoren umgeht, also mit der Hitze, mit der Kälte, mit der Trockenheit, mit UV-Bestrahlung. Wir haben uns speziell dem Thema Frost und den Bedingungen im Winter gewidmet. Dabei haben wir Mechanismen auf Zellebene entdeckt, die es möglich machen, dass die Pflanze mit Frost umgehen kann. Um das auf eine ganz kurze Formel zu bringen: Sie lagern Frostschutz unter Anderem in Form von Zuckern, Lipiden und Aminosäuren ein. Diese Stoffe sind dann im Zellinneren so stark konzentriert, dass es da drinnen nicht zu einer Ausbildung von Frost kommt. Der Frost ist nämlich nur deshalb für die Pflanze gefährlich, wenn sich Eiskristalle im Zellinneren bilden, die dann die Zelle sprengen und zerplatzen lassen. Wenn sich aber Eiskristalle im Zellengewebe bilden, dann ist das harmlos. Das ist ein reversibler Vorgang, das kann wieder auftauen und es ist überhaupt kein Schaden entstanden. Wir haben herausgefunden, dass die Salate als Gruppe bis unter -11 Grad Frost standhalten. Diese sehen dann zwar irgendwie glasig erstarrt aus, die Rosette liegt flach am Boden. Wenn sie dann aber wieder langsam auftauen, sehen sie wieder frisch aus. Das können natürlich nicht alle Gemüsepflanzen gleich gut. Daher haben wir Pflanzen je nach Frosthärte in verschiedene Kategorien eingeteilt.
Wir haben aber herausgefunden, dass es gar nicht zuallererst der Frost und die Kälte sind, die den Winter einschränken für den Gemüseanbau. Es gibt ganz andere meteorologische Parameter, die für die Pflanze im Winter bedrohlicher sind als der Frost und die Kälte selber. Einer davon ist das Licht. Lichtarmut im Winter führt dazu, dass die Pflanzen im Winter sozusagen eher hungern. Sie kriegen zu wenig Licht ab, die Tageslänge ist eingeschränkt und das verzögert die Entwicklungsgeschwindigkeit. Und ein zweiter, ganz, ganz wichtiger Faktor ist die Feuchtigkeit, und zwar die Boden-, und die Luftfeuchtigkeit. Im Winter verschimmeln und verfaulen mehr Gemüse, als sie erfrieren. Also man muss sie im Winter ziemlich trocken halten, damit sie gesund bleiben.
Wolfgang Palme: Insbesondere das empfindliche Feingemüse muss vor Feuchtigkeit geschützt werden. Das können eine Hochbeethaube, ein Frühbeetkasten, ein kleiner Folientunnel oder ein Gewächshaus sein. Es geht nicht vorrangig um die Temperatur da drinnen, sondern es geht darum, dass unsere Pflanzen vor unkontrollierter Feuchtigkeit von oben geschützt sind. Diese geschützten Räume, die müssen andererseits gut lüftbar sein. Da muss die Luftfeuchtigkeit wieder rauskommen. Wenn es da drinnen zu Kondenswasserbildung kommt, die dann runter tropft, die Blätter benetzt, die vielleicht für stundenlange Feuchtigkeit am Boden über die Nacht sorgt, dann wird es gefährlich, weil dann eben Pilzkrankheiten wie der falsche Mehltau oder grauer Schimmel zuschlagen, denn die sind auch frosthärter als man denkt.
Wolfgang Palme: Anfang Juli sollte man sich um Pflanzen für den Herbst und Winter kümmern. Das sind die Blatt Kohle, den Grünkohl, die Palmkohle, die Zierkohle, die verschiedenen Herbst und Winter Kohle, die Zichorien, der Zuckerhut und die italienischen Sorten, die schon den Sommer brauchen, damit sie sich ausreichend und und kräftig entwickeln können, um im Winter nutzbar zu sein. Im August säen wir auch noch mal klassische Herbstgemüsesorten aus, rote Beete, Sellerie, Wirsing und Weißkohl, Brokkoli und Blumenkohl. Und bevor der Herbst kommt braucht das Kohlgemüse noch einmal Nährstoffe, das heißt wir düngen ihn während des Sommers.
Ab September starten dann die letzten Vorbereitungen für den Winter. Es werden Sorten gesetzt, die schneller wachsen, Salate zum Beispiel. Salate, die Mitte bis Ende September gesetzt werden, kann man dann pünktlich zu Weihnachten ernten. Nicht zu vergessen ist bei diesen empfindlichereren Sorten, dass man sich um Abdeckungen kümmern muss. Im Herbst ist also die richtige Zeit, um Hauben zu bauen.
Marie ist Agrarwissenschaftlerin. Sie interessiert sich besonders für den nachhaltigen und ökologischen Anbau von Gemüse und anderen Pflanzen. Im eigenen Garten sammelte sie dabei Erfahrungen und probiert sich gerne aus, um von der Natur zu lernen. Dabei liegen ihr Werte und Prinzipien der Permakultur besonders am Herzen, um neben dem Wohl für die Natur, auch für das Wohlergehen der Menschen und zukünftiger Generationen beizutragen.
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